Die Rede des Brautvaters
 

Liebes Brautpaar.

Ab heute geht Ihr gemeinsam euren Lebensweg als Ehepaar.

Nun da ich selbst schon lange verheiratet bin, weiß ich, dass es in einer Ehe nicht immer eitel Sonnenschein gibt. Aber ich weiß auch, dass sich durch gegenseitige Liebe, Vertrauen und natürlich durch das Eingehen von Kompromissen vieles überwinden läßt.

Auch ihr habt in eurem bisherigen Zusammenleben sicher schon selbst erlebt, dass eine Beziehung nicht nur aus Freudentagen besteht und sich nicht alles mit einem Lachen verkraften lässt. Manche Probleme können das Leben eine Zeit lang beeinträchtigen. Dann gilt es, dies zu akzeptieren, das Beste daraus zu machen und mit dem Partner über diese Dinge zu sprechen. Das ist mit das Wichtigste in einer Ehe. Das offene und ehrliche Gespräch über alles, auch das, was einen am Anderen stört. Nur dann können Vertrauen und Verständnis, die beiden Fundamente einer soliden Partnerschaft, entstehen und bestehen. All das gehört zu einem Leben zu zweit.

Und so dachte ich, wie haben es denn dem heutigen Anlass entsprechend, unsere Vorgänger gemacht und habe dazu einen Ehevertrag gefunden, wie er vor rund 150 Jahren in Weimar zwischen den Verlobten Ferdinand und Louise, geschlossen wurde.

Diesen möchte ich nun vortragen:
(Keine Angst, so umfangreich ist er nicht...)

Wir lieben uns innig, wir fühlen, dass wir ohne einander nicht glücklich werden können, und verbinden uns daher zu treuen Gatten.

Ferdinand weiht und heiligt sein ganzes Dasein Louisen, um ihr durch rastlosen Fleiß ein bequemes und sorgenfreies Leben zu schaffen. Louise wird sich dagegen bestreben, durch häusliche Wirtschaftlichkeit sich und ihn auf der goldenen Mittelstraße des ehelichen Auskommens zu halten. Da im Ehestand oft Kleinigkeiten die Quelle großen Zwistes sind, so verpflichten wir uns, in unbedeutenden Dingen nachzugeben. In der Tracht richtet sich jeder Teil nach des anderen Geschmack. Ferdinand enthält sich einer nachlässigen Kleidung, um Louisens Auge nicht zu beleidigen, und Louise vermeidet, sich durch übertriebenen Schmuck den Anschein zu geben, als wolle sie fremden Männern gefallen.

Die Hauptzierde unseres Körpers sei Reinlichkeit, weil das Gegenteil bei Personen die in einem nahen Verein leben, unfehlbar Abneigung und Widerwillen erzeugt. Die gebieterischen Worte: ich will, ich bestehe darauf, ich befehle, werden in unserem häuslichen Wörterbuch ganz und gar gestrichen.

Louise wird sich nie in Gesellschaften das geringste Scheinzeichen von Nichtachtung ihres Mannes entgleiten lassen, denn jene Gattin, die sich solche zweideutigen Äußerungen erlaubt, gibt dadurch anderen Männern gleichsam das Signal, sich ihr mit Siegeshoffnung zu nahen. Ferdinand wird Louise öffentlich ehren, damit sie auch von anderen geehrt werde. Er wird keinem anderen Frauenzimmer durch schmeichelhafte Huldigungen einen kränkenden Triumph über seine Gattin gestatten.

Wir wollen in der Wahl unseres Umganges vorsichtig sein, und besonders keine falschen und arglistigen Hausfreunde dulden, die gleich Schlangen im Busen die ruhigen Freuden unseres Blutes vergiften können.

Zwischen Mein und Dein findet keine Grenzscheidung unter uns statt. Unser höchstes Gemeingut ist unsere gegenseitige Liebe, und dieser Schatz, der oft in anderen Herzen von der eilenden Zeit verzehrt wird, soll unter ihren Flügeln wachsen bei uns bis ans Grab.

Liebes Brautpaar, ihr denkt jetzt bestimmt, dass ist doch total altmodisch und damit habt ihr Recht. Aber so altmodisch das auch alles klingen mag - vielleicht wäre es für uns heute ganz gut, wir würden den einen oder anderen Satz beherzigen. Denn aus eigener Erfahrung kann ich guten Gewissens sagen, dass eine dauerhafte, verlässliche Partnerschaft das Beste ist, was einem im Leben passieren kann. Glück verdoppelt sich, Leid wird geteilt.

Und so wünsche ich euch beiden alles Glück dieser Erde für euren neuen und bedeutsamen Lebensabschnitt. Ich bin voller Vertrauen, dass es euch gelingt, diese Ehe gut zu führen. Und sollte es doch einmal Schwierigkeiten geben, so habt ihr noch erfahrene Eltern, die ihr um Rat fragen könnt.

In diesem Sinne, erhebe ich das Glas auf unser junges Paar und wünsche euch und ihnen liebe Gäste, noch eine schöne Hochzeitsfeier.

 

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